Eine Steinbauer&Dobrowsy Theaterproduktion 

Zum Kafka-Jahr 2024 präsentiert

Dorothea Steinbauer ihr Stück

mimiCRY 

Ich bin eine Frau. In irgendeinem Saum einen ganzen Urwald gefaltet und versteckt. Mein Ass im Ärmel. Mimi

Mimi kommt zu Wort. Jene halbdressierte Schimpansin, die in Kafkas Bericht für eine Akademie dem Affen Rotpeter abends zu Diensten steht. „…Bei Tag will ich sie nicht sehen; sie hat nämlich den Irrsinn des verwirrten dressierten Tieres im Blick; das erkenne nur ich, und ich kann es nicht ertragen.“ Kafka

Mit Rotpeter entwirft Franz Kafka einen virtuosen Grenzgänger zwischen Tier und Mensch.

Auch Mimi hat einen langen, mühevollen Weg der „Menschwerdung” hinter sich, wenn auch unter anderen Umständen und: Sie ist eine Frau! Frauen sind die Besseren in der Anpassung, Verstellung, Sucht nach Imitation. Talent verpflichtet! muss sie erfahren und sie lernt rasch, für ihre Entwicklung ihre menschlichen Gegenüber als Spiegel nutzbar zu machen.

Vielseitigkeit war der Auftrag, den ich mir auferlegt hatte. Der richtige Gedanke: Werde/ sei vielseitig! Und einzigartig!

Eine ehrgeizige Madame Grand Utilité, ist diese Mimi, gesellschaftlich bald unersetzbar.  Mit den Narben, die sich nie zur Gänze schließen wollen, stellt sich im Hintergrund aber immer auch die Frage nach der Zwiespältigkeit weiblicher Ausdauer, Anpassungsfähigkeit und -bereitschaft.

Wissenschaftliche Erkenntnisse, Fakten, Fiktion und Phantasien, die über Kafkas Zeit hinaus in eine zukünftige Gesellschaft visionieren, verschmelzen in Mimis Erzählung zu einer beklemmenden, glaubhaften Lebensgeschichte.

Für die BesucherInnen ist Mimi das „Opfer zum Anfassen“, Beobachtung und Kontrolle finden aber auf beiden Seiten der unsichtbaren Gitterstäbe statt. Die Frage nach Freiwilligkeit, gesellschaftlichem Zwang und Selbstbestimmung stellt sich in jedem Augenblick hautnah.

Meiner Sucht nach Spiegeln verdanken im Übrigen auch Sie das Privileg, heute hier sein zu dürfen. Mimi

Dorothea Steinbauer als Mimi

Regie: Wolfgang Dobrowsky

Dorothea Steinbauer zur Entstehungsgeschichte ihres Textes:

Meine “Initialzündung” zu MimiCRY fand ich zufällig in J.M. Coetzee´s Buch ELIZABETH COSTELLO: Von 1912 bis 1920 führte Dr. Wolfgang Köhler – einer der Begründer der Gestaltpsychlogie und Gestalttheorie – auf Teneriffa Untersuchungen zur Erforschung der Intelligenz an Menschenaffen durch. Coetzee glaubt, hier Kafkas Inspiration für dessen Bericht für eine Akademie entdeckt zu haben.

Weiters fand ich einige interessante Fakten über die sogenannten Spiegelneuronen, die im Jahre 1992 erstmals wissenschaftlich beschrieben wurden: Nervenzellen im Hirn von Primaten, die für Imitation, aber auch Empathie verantwortlich vermutet werden. Erstaunlicherweise verdanken wir laut einiger wissenschaftlicher Quellen bereits Köhler und seinen Experimenten  grundlegende Erkennnisse für die Forschungsstudien der Spiegelneuronen.

So haben Coetzee´s Text, Köhler´s Experimente und einige andere Quellen, wie Dokumentarfilme, die ich vor langer Zeit gesehen hatte, meine Phantasien inspiriert, die dank der realen Details, meine Fiktion wirklich erscheinen lassen.

Heimlicher Begleiter und Mutmacher war für mich der Spurensucher Michael Ondaatje, für mich der wunderbarste Geschichtenerzähler und Meister der „Wahrheit der Fiktion“.